Mehr Geld für eine höherwertige Tätigkeit
Im Januar 2015 hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) in Rostock über folgenden Fall aus einem Arbeitsverhältnis bei einem öffentlichen Arbeitgeber zu urteilen:
Eine Teamleiterin wurde von der Personalabteilung an eine andere Behörde abgeordnet. Daraufhin übernahm die für ihre Vertretung zuständige 1. Sachbearbeiterin auf Weisung ihres Vorgesetzten deren Aufgaben. Diese Tätigkeit wird in einer höher vergütet. Für die von ihr über ca. 7 Monate erbrachte höherwertige Tätigkeit beantragte die Sachbearbeiterin die Zahlung einer Zulage. Dies lehnte der Arbeitgeber mit der Begründung ab, dass die Sachbearbeiterin nur durch ihren Vorgesetzten beauftragt worden war und nicht durch die zuständige Personalabteilung. Die Sachbearbeiterin hätte wissen müssen, dass nur diese die höherwertige Tätigkeit übertragen kann. Dies ergäbe sich aus der Geschäftsordnung, welche im Intranet jederzeit einsehbar ist. Deshalb könne sie die Zulage nicht erhalten.
Dagegen klagte die Sachbearbeiterin beim Arbeitsgericht Stralsund, welches die Klage mit ähnlicher Begründung abwies. Die Übertragung ist nicht durch die Personalabteilung erfolgt. Daher habe die Klägerin keinen Anspruch auf die Zahlung der Zulage, obwohl sie 7 Monate die höherwertige Tätigkeit erbracht hat. Dies akzeptierte die Klägerin nicht und legte Berufung beim LAG ein. Dieses entschied zugunsten der Klägerin. Obwohl es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, dürfte das Urteil auch für andere Fälle von Bedeutung sein.
Zunächst verwies das Gericht darauf, dass die vorrübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit immer einer entsprechenden Erklärung des Arbeitgebers oder seines Vertreters bedarf. Die Weisung eines nicht zuständigen Vorgesetzten reicht grds. nicht aus. An die Kenntnis des Mitarbeiters von bestehenden Zuständigkeitsregelungen dürfen aber keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Im Zweifel muss sich der Mitarbeiter darauf verlassen können, dass die Übertragung von einer hierzu befugten Person vorgenommen wurde. Die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit kann auch konkludent durch erfolgen, d.h. es bedarf nicht einer ausdrücklichen Anweisung. Für den Fall der Klägerin bedeutete dies folgendes:
Die nach Auffassung des Arbeitgebers zuständige Personalabteilung hatte den Vertretungsfall selbst ausgelöst, indem sie die Teamleiterin von ihrer Position abzog und nicht gleichzeitig eine Regelung zur Vertretung der abgeordneten Teamleiterin traf. Da die Klägerin als 1. Sachbearbeiterin auch Stellvertreterin der Teamleiterin war, war die nunmehr eintretende Vertretung unmittelbar zwingende Folge der Abordnung. Wenn die höherwertige Tätigkeit ausgeübt wird, hat der Arbeitgeber eine höherwertige Gegenleistung erhalten, die er entsprechend höher bezahlten muss.
Weiter führte das Gericht aus, dass der Klägerin auch dann die höherwertige Tätigkeit wirksam übertragen worden wäre, wenn auf die Weisung des ggf. nicht zuständigen Dezernatsleiters abgestellt wird. Hier konnte die Klägerin darauf vertrauen, dass dies wirksam ist. Ein Mitarbeiter muss nicht schlauer sein als sein Vorgesetzter. Die Klägerin musste deshalb nicht in ihrer Freizeit die im Intranet einsehbare umfangreiche Geschäftsordnung lesen und prüfen, ob ihr Vorgesetzter dies auch durfte, wie der Arbeitgeber meinte. Weiterhin war zu berücksichtigen, dass die Klägerin während der Vertretung nicht unsichtbar war. Sie nahm an mehreren Besprechungen auf höherer Ebene teil und absolvierte während der 7 Monate sogar eine Teamleiterschulung in Berlin.
Nicht nur die Klägerin war sehr erfreut über diese Entscheidung des LAG, sondern eine Vielzahl von Mitarbeitern dieser Behörde. Endlich war dem Arbeitgeber beschieden worden, welche Schwachstellen in seiner Organisation bestehen, die zu Unklarheiten führen und die in der Vergangenheit in der Regel zu Lasten der Mitarbeiter ausgingen.
Katrin Zilian
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht