Haftungsrisiken bei der Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen
Weil es wirtschaftlich sinnvoll ist oder weil Geldinstitute zur Absicherung ihrer Kredite an die Gesellschaft es verlangen, wird der Finanzbedarf einer Kapitalgesellschaft (GmbH, AG) häufig nicht durch Eigenkapital, sondern durch deren Gesellschafter finanziert. Insbesondere bei kleineren inhabergeführten Gesellschaften sind zwei typische Formen der Fremdfinanzierung zu beobachten: Entweder geben die Gesellschafter Darlehen. Oder Kreditinstitute geben Darlehen, verlangen von den Gesellschaftern aber persönliche Sicherheiten wie beispielsweise selbstschuldnerische Bürgschaften.
Zunehmend zeigt sich, dass seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) am 01.11.2008 dieses an sich normale wirtschaftlich sinnvolle Finanzierungsverhalten in der Insolvenz der Gesellschaft katastrophale finanzielle Folgen für den Gesellschafter haben kann. Denn veranlasst der Gesellschafter die Rückzahlung seines Darlehens oder eines von ihm besicherten Drittdarlehens zum Nachteil der übrigen Gläubiger im Vorfeld einer möglichen Insolvenz, droht eine Erstattungspflicht. Hintergrund sind die Aufhebung des früheren Eigenkapitalersatzrechts und die Neuregelungen zur Insolvenzanfechtung.
Nach altem Recht war der Gesellschafter zur Erstattung der an ihn bzw. den Drittdarlehensgeber zurückgezahlten Darlehen verpflichtet, wenn die Voraussetzungen für Eigenkapitalersatz vorlagen. Das war regelmäßig dann der Fall, wenn die Gesellschaft von dritter Seite keinen Kredit zu marktüblichen Konditionen erhalten hätte. In der „Krise“ wurde das Fremdkapital als Eigenkapital angesehen.
Im Zuge der Reformierung des GmbH-Rechts hat das Recht der Gesellschafterfinanzierung eine umfassende Änderung erfahren. Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz der Gesellschaft werden generell als nachrangig behandelt. Mit der Abkehr vom bisherigen Eigenkapitalersatzrecht erfolgt die Beurteilung aller eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen und sonstigen Gesellschafterleistungen nunmehr ausschließlich unter insolvenzanfechtungsrechtlichen Gesichtspunkten.
Gemäß den Regelungen der Insolvenzordnung sind die binnen eines Jahres vor Insolvenzantrag oder danach erlangten Darlehensrückzahlungen oder binnen 10 Jahren vor Insolvenzantrag erlangten Sicherungen im eröffneten Insolvenzverfahren anfechtbar, unabhängig davon, ob das Gesellschafterdarlehen oder diesem wirtschaftlich gleichgestellte Gesellschafterhilfe bei Insolvenzreife gewährt wurde. Die früheren Kriterien wie „eigenkapitalersetzend“ und „Krise“ sind ohne Bedeutung. Der Insolvenzverwalter kann schlichtweg jede Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens innerhalb eines Jahres vor dem Insolvenzantrag zurückfordern.
Auch in dem Fall, dass die Gesellschaft ein Darlehen, für das der Gesellschafter persönliche Sicherheiten bestellt hat, an die Bank zurückzahlt, besteht ein Erstattungsanspruch des Insolvenzverwalters gegen den Gesellschafter bis zur Höhe der Tilgung bzw. Bürgschaft, wenn die Zahlungen innerhalb eines Jahres vor dem Insolvenzantrag erfolgten.
Wurden einer darlehensgebenden Bank neben persönlichen Sicherheiten des Gesellschafters auch Sicherheiten von der Gesellschaft bestellt, beispielsweise durch Sicherungsübereignung von gesellschaftseigenen Fahrzeugen, und verwertet der Insolvenzverwalter im eröffneten Insolvenzverfahren diese Fahrzeuge und kehrt den Verwertungserlös an die Bank aus, hat nach dem Urteil des Bundesgerichtshof vom 01.12.2011, Az. IX ZR 11/11, der Gesellschafter den ausgekehrten Verwertungserlöses zur Insolvenzmasse zu erstatten.
Die Neuregelungen gelten für Insolvenzverfahren, die ab dem 1. November 2008 eröffnet wurden. Sie gelten nicht für Gesellschafter mit einem Geschäftsanteil von weniger als 10 %.
In Zeiten vieler „massearmer“ Insolvenzverfahren greifen die Verwalter bevorzugt auf die breite Palette insolvenzspezifischer Haftungs- und Anfechtungsansprüche, die unter Umständen den wirtschaftlichen Ruin des Gesellschafters bedeuten können, zurück. Fachkundiger Rechtsrat sollte daher bei etwaigen Anzeichen einer Krise möglichst frühzeitig eingeholt werden.
Rechtsanwältin Heinen
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